Schüchternheit erkennen und überwinden

Schüchternheit erkennen und überwinden

Du wirst rot, wenn dich jemand überraschend in der Disco anspricht? Es ist dir ein Graus, vor Menschen zu sprechen? Du sagst lieber nichts, bevor du was Falsches sagst? Dann bist du wahrscheinlich schüchtern. Das muss nicht so bleiben! Hier erfährst du, wie du daran arbeiten kannst, selbstsicherer zu werden.

Was ist Schüchternheit

Unter dem Begriff werden verschiedene Probleme im Umgang mit anderen Menschen beschrieben. Bist du auch schüchtern? Dann wirst du mehrere der folgenden Schwierigkeiten aus deinem Alltag kennen:

  • Dir fällt es schwer, auf Andere zuzugehen.
  • Im Austausch mit dir unbekannten Personen fühlst dich unsicher und gehemmt.
  • Du hast Angst, im Mittelpunkt zu stehen.
  • Du siehst dich selbst aus einer Beobachterposition und denkst ständig darüber nach, was wohl andere über dich denken.
  • Du hast Angst, etwas Peinliches zu sagen oder zu tun.
  • Aus Angst vor Fehlern neigst du zu Perfektionismus, womit du dich und dein Umfeld extrem unter Druck setzt.
  • Du tust dich schwer, dein Recht durchzusetzen oder deine Meinung zu sagen.
  • Gefällt dir eine Person, hast du Schwierigkeiten, Gefühle zu zeigen.
  • Du befürchtest, offen kritisiert zu werden.

Auch körperlich zeigen Schüchterne Unterschiede zu selbstsicheren Personen. Viele Leute, die schüchtern sind, leiden in Momenten der Schüchternheit unter typischen Stresssymptomen:

  • Schwitzen, feuchte Hände
  • erhöhter Puls, beschleunigte Atmung
  • Herzklopfen oder Herzrasen
  • Zittern, Frieren
  • Harndrang
  • Muskelanspannung und -verspannung
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Übelkeit
  • Durchfall
  • Unkonzentriertheit, langsameres Denken

Eine stark ausgeprägte Schüchternheit, auch soziale Angst bzw. soziale Phobie genannt, kann sich schnell zu einer sozialen Neurose oder Antropophobie werden. Dabei sind die Symptome im Prinzip zunächst einmal die gleichen, der Unterschied zu „nur“ schüchternen Personen liegt in der Intensität der Beschwerden. Patienten mit einer sozialen Phobie sind darüber hinaus in ihrem alltäglichen Leben stark eingeschränkt.

Welche Folgen kann Schüchternheit haben?

Schüchterne sind häufig sehr zurückhaltend – aus Angst, etwas „Falsches“ zu sagen. Dies führt dazu, dass das Umfeld mitunter gar nicht mitbekommt, mit welch einem interessanten und freundlichen Menschen sie es zu tun hat. Wer schüchtern ist, tut sich deutlich schwerer, soziale Kontakte zu knüpfen. Aber was ist schon das Leben ohne Freunde? Schüchternes Verhalten führt nach und nach zur sozialen Isolation!

Dies betrifft natürlich auch Kontakte zum anderen Geschlecht. Viele Schüchterne trauen sich nicht, jemand anderen anzusprechen. Sie sind unglücklich verliebt, ohne dass der oder die Andere davon überhaupt weiß.

Wer schüchtern ist, kann sich häufig nicht so gut durchsetzen. Ob beim Gespräch mit dem Vorgesetzten, wenn der Kellner in der Kneipe sie zu lange warten lässt oder wenn der Friseur die Haare nicht so wie vereinbart geschnitten hat – Schüchterne hassen es, ihre Meinung deutlich sagen zu müssen. So kann es passieren, dass sie häufiger als selbstsichere Leute benachteiligt werden.

Manche Betroffene machen sich unbeliebt, indem sie ihre Unsicherheit hinter einer coolen Fassade zu verstecken versuchen. Sie wirken dann statt schüchtern arrogant und überheblich.

Insgesamt führt schüchternes Verhalten häufig dazu, dass das Umfeld die Betroffenen unterschätzt. Sie werden oft als weniger intelligent und weniger leistungsfähig eingeschätzt.

Warum sind wir schüchtern?

Zum Teil liegt das Problem in den Genen. Schüchternheit ist tatsächlich vererbbar! Je nach Studie liegt der Einfluss der Veranlagung bei etwa 25 oder etwa 50 %. Wenn dich dieses Thema interessiert, kannst du ja mal überlegen, wer von deinen Eltern, Großeltern, Tanten, Onkels ähnliche Symptome zeigt. Falls du selbst Kinder hast, wäre auch eine spannende Frage, in welche Richtung ihre Persönlichkeit tendiert.

Unschöne Erfahrungen in der frühen Kindheit wie etwa eine Trennung der Eltern können aus einem ursprünglich selbstsicheren Kind durchaus ein schüchternes machen.

Großen Einfluss auf die Entwicklung von Schüchternheit hat überdies die Erziehung der Eltern. Kinder, die häufig kritisiert werden und das Gefühl haben, störend zu sein, werden eher zu schüchternen Jugendlichen und Erwachsenen. Ein starkes Selbstwertgefühl können in der Regel solche Kinder entwickeln, die früh Geborgenheit, Akzeptanz und fördernde Unterstützung erfahren. Ebenso schädlich ist es für Kinder, wenn überfürsorgliche Eltern ihnen den Eindruck vermitteln, sie könnten die Dinge nicht selbst meistern. Um zu selbstständigen, sicheren Persönlichkeiten zu werden, müssen Kinder auch lernen, mit negativen Erfahrungen umzugehen. Eltern, die alles Unheil von ihren Kindern abhalten, nehmen ihnen diese Chance.

Die Pubertät ist in jeder Hinsicht eine Zeit großer Verunsicherungen. Treten in diesem Entwicklungsstadium soziale Ängste zutage, können sie sich zur Sozialphobie verfestigen. Ähnliches gilt für äußere Veränderungen wie den Verlust des Arbeitsplatzes, einen Umzug, die Scheidung der Eltern, eine eigene Trennung, ein Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis und Ähnliches.

Der Druck der modernen Gesellschaft und Arbeitswelt wirkt als weiterer Faktor. Wer sich gut darzustellen weiß, hat Erfolg und kommt voran auf der Karriereleiter. Wem solch eine vorteilhafte Selbstdarstellung nicht in die Wiege gelegt ist bzw. wer sie nicht erlernt hat, gerät hier schnell ins Hintertreffen. Aus Unsicherheit werden solche herausfordernden Situationen gemieden. Wer allerdings nicht übt, vor anderen zu sprechen und auch sich selbst in günstigem Licht zu präsentieren, wird es auch nicht können – ein Teufelskreis.

Wie kann ich Schüchternheit überwinden?

Die gute Nachricht für alle schüchternen Leute: Du kannst Schüchternheit überwinden. Wer konsequent an sich arbeitet, wird innerhalb weniger Monate eine deutliche Verbesserung seiner Probleme feststellen können.

Folgende Tipps können dir dabei helfen:

  •  Akzeptiere das Problem! In den beschriebenen Symptomen hast du vermutlich vieles wiedererkannt, das du von dir selbst kennst. Du bist also schüchtern. Damit hast du es zwar in deinem täglichen Leben schwerer als die selbstsicheren Leute um dich herum. Aber eine schlimme Krankheit ist es nun mal auch nicht. Das Sich-Eingestehen eines Problems ist der erste Schritt, um es zu bewältigen. Also nimm es an: Du bist schüchtern. Und jetzt arbeite daran, deine Schüchternheit zu überwinden!
  • Denke weiter! Schüchterne Leute sind „Vermeider“. Bevor sie etwas Falsches sagen, sagen sie lieber nichts. Wenn du dich das nächste Mal dabei ertappst, dass du eigentlich etwas zu sagen hättest, aber dich nicht traust – stell dir einfach vor, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Den lustigen Spruch, den du machen möchtest, findet vielleicht keiner lustig? Ja, dann kann dein Gegenüber denken, dass du komische Sachen sagst, die nicht lustig sind. Na und? Außerdem: Dann kannst DU denken, dass dein Gegenüber wohl nicht sehr viel Humor haben kann, wenn er deinen Witz nicht versteht. Verstehst du? Ziehe auch mal in Betracht, dass dein Gesprächspartner vielleicht insgeheim ebenfalls zu den Schüchternen zählt und es ihm sehr peinlich sein wird, dass er dich nicht versteht. Dann steht’s 1:1, oder?
  • Stärke dein Selbstwertgefühl! Stärke es im Denken, dann wird es sich auch in deinem Handeln zeigen! Es klingt platt, aber es stimmt: Jeder Mensch ist besonders. Jeder ist aus verschiedenen Gründen besonders interessant. Manche sind gut im Deuten von Träumen, andere haben eine riesige Bierdeckel-Sammlung zu Hause, noch mal andere können aus dem Stand alles rückwärts sagen. Denk mal darüber nach, was dich besonders macht. Was kannst du gut? Hast du ein seltenes Hobby? Bist du außergewöhnlich sportlich? Du findest sicher einiges, worüber es sich mit anderen zu reden lohnt. Wer weiß, vielleicht findest du dabei ja raus, dass einer deiner Gesprächspartner sogar ähnliche Interessen hat?
  • Übe das Gespräch mit Fremden! Nimm dir einmal ganz bewusst vor, jeden Tag mit einem Fremden zu reden. Im Aufzug, beim Arzt im Wartezimmer, beim Busfahren – Gelegenheiten gibt es genügend. Zunächst musst du dich noch überwinden, aber du wirst staunen, wie viele Leute sich über ein freundliches Lächeln und irgendeine belanglose Bemerkung freuen und ganz positiv reagieren. Für den Anfang genügt es, mit Bemerkungen zum Small-Talk-Thema Nummer 1 einzusteigen: dem Wetter. Denke nicht, dass selbstsichere Personen immer nur geistreiche und hochwichtige Dinge sagen! Sinn der Übung ist es, dass du dich an das Sprechen mit Fremden gewöhnst und nach und nach an Sicherheit gewinnst. Dann kannst du sicher bald auch mal spontan einen lockeren Spruch loslassen.

    Wenn dir das Reden mit Fremden noch eine Nummer zu groß ist, dann spiel` solche Situationen zunächst wiederholt im Kopf durch. Nutze deine Vorstellungskraft und male dir möglichst genau verschiedene Szenarien aus.

  • Die Kür deiner Bemühungen ist sicherlich, wenn du schließlich selbst ein Date mit dem Mann oder der Frau deiner Träume in die Wege geleitet hast. Für die Gesprächsanbahnungen in Sachen Liebe gelten grundsätzlich keine anderen Regeln als für das Reden mit Fremden. Sie sind nur schwieriger, weil sie dir wichtiger sind als der Smalltalk mit der Frau an der Kasse! Also auch hier überlegen, was du Interessantes zu bieten hast, das Gespräch vorher im Kopf durchspielen, vielleicht auch mal im Rollenspiel üben – und dann los!
  • Lerne, mit Enttäuschungen klarzukommen. Verlange dir nicht Perfektion ab. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ganz sicher wird die eine oder andere Konversation „in die Hose gehen“. Vielleicht fängt das Gespräch noch ganz gut an, doch dann verhaspelst du dich und gerätst ins Stottern, wirst rot – kann passieren! Denke daran, dass auch Selbstsichere einen schlechten Tag haben und nicht immer eloquent sind. Auch nach einer missglückten Übungssituation geht das Leben weiter – und bietet dir tausend neue Möglichkeiten zum Ausbauen deiner neuen Künste!

Wichtig: Diese Tipps helfen dir nur, „normale“ Schüchternheit zu überwinden. Wenn du unter einer echten sozialen Phobie leidest, solltest du dir von Profis bei der Bewältigung deiner Ängste helfen lassen. Die Grenzen von Schüchternheit zu ausgeprägter sozialer Angst sind fließend. Eine Faustregel lautet: Wer sich den halben Tag lang oder noch länger mit den quälenden Fragen beschäftigt, wie sie ganz am Anfang des Artikels skizziert sind, der sollte sich helfen lassen.

Gerade aufgrund deiner Ängste wird es dir vermutlich schwer fallen, deine Probleme mit einem Fremden zu besprechen. Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass es viele wie dich gibt. Es gibt Studien, nach denen jeder Zehnte unter einer sozialen Phobie leidet!

Und die Mühe lohnt sich, denn auch ausgeprägte soziale Ängste kann man überwinden. Bei sozialer Phobie helfen angstlösende Medikamente und Verhaltenstherapien bzw. Psychotherapien im Allgemeinen. Eine wichtige Rolle spielt außerdem das Erlernen von Entspannungstechniken. So kann auch den mit einer Sozialphobie einhergehenden körperlichen Beschwerden entgegengewirkt werden.

Was kann ich als Außenstehender tun? Wie kann ich Schüchternen helfen?

Schüchterne Menschen leiden unter einem schwachen Selbstwertgefühl. Sie halten sich für nicht so interessant oder liebenswert wie die Leute um sich herum. Schüchternen Personen muss man immer wieder, zur Not geradezu gebetsmühlenartig, sagen, warum man sie besonders gern mag oder für bewundernswert hält.

Schüchternes Verhalten ist Ausdruck davon, dass die Gemütslage des Betroffenen ins Wanken geraten ist – ob erst kürzlich oder schon vor längerer Zeit. Was der Patient braucht, ist Zuhören-Können, Verständnis, Warmherzigkeit, Rücksicht, Gespür – und viel Geduld. Vor allem, wenn der Freund oder Verwandte sich schon länger in sich zurückgezogen hat, lässt er sich oft nur schwer aus seinem Schneckenhaus herauslocken.

Wenn du einem Freund oder Familienmitglied dabei helfen willst, seine Furcht vor sozialen Situationen zu überwinden, kannst du ihm oder ihr mit Rollenspielen helfen. Du spielst dabei einen Fremden. Gemeinsam spielt ihr jetzt Situationen durch, in denen dein Freund oder Familienmitglied auf dich als Fremden reagieren muss. Das können ganz kleine, belanglose Gespräche sein, wie man sie beispielsweise beim Einkaufen mit der Dame an der Kasse führt. Du wirst sehen, dass das nicht nur beim Überwinden der Ängste hilft – sondern auch noch richtig Spaß macht!

Normal ausgeprägte Schüchternheit kann mit einigen einfachen Mitteln gelindert oder sogar überwunden werden. Ideal ist es, wenn du Freunde oder Familienmitglieder hast, die dich auf deinem Weg unterstützen. Aber auch allein kannst du viel erreichen. Wenn du schließlich nach einigen Wochen oder Monaten auf deine ersten Erfolge zurückblicken kannst, wirst noch stolzer sein – zu Recht!

Bildquelle: © Wavebreak Media / thinkstockphotos.de

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